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In dieser alchemistischen Kunstschöpfung Hahnemanns sind Leid und «Mit-Leid» das zentrale Thema. Zur Herstellung wird fossilienhaltiger, gebrannter Marmor verwendet. Causticum ist ein bewährtes Heilmittel bei seelischen und körperlichen Beschwerden nach Verbrennungen, zudem eines der  wichtigsten Heilmittel bei trockenen, brennenden Hautausschlägen (roh, wie eine offene Wunde). Causticum ist eines der berühmten «Brennmittel». Das heisst, brennende Schmerzen sind ein Allgemeinsymptom, welches am ganzen Körper auftreten kann (vgl. Arsenicum, Cantharis, Phosphorus,  Sulfur). Die Causticum-Modalitäten «Besserung durch Regenwetter» oder «besser durch einen Schluck Wasser» illustrieren die grosse Trockenheit der ‹Causticum-Menschen›. Die im Marmor enthaltenen Versteinerungen tragen die Information des Sterbens in sich, diese tritt manchmal bei ‹Causticum-Patienten› als Nekrophilie in Erscheinung (Marmor ist zudem das bevorzugte Material für Grabsteine). Den Begriff «Versteinerung» können wir symbolisch in der allmählichen Lähmung von Körper, Seele und Geist im Krankheitsbild von Causticum wiederfinden.

  • Illustration Causticum hahnemanni
  • Hahnemanns Ätzstoff in Becherglas | © iStock

Steckbrief von Causticum Hahnemanni

Beschreibung: Wässrige, klare Flüssigkeit mit etwas ätzendem Geruch und Geschmack. Das spezifische Gewicht beträgt 0,93. Die genaue Zusammensetzung scheint nicht klar zu sein. Es handelt sich entweder um eine schwache Kalilauge oder/und um ein Gemisch von Ammoniumsalzen, die von den tierischen Einschlüssen im Marmorkalk stammen.

Vorkommen: Causticum kommt in der Natur nicht vor.

Herstellung: Ein Stück frisch gebrannter Kalk, der aus Marmor gewonnen wurde, wird für eine Minute in destilliertes Wasser und anschliessend in eine trockene Schale gelegt, wo er zu Pulver zerfällt. Geglühtes und geschmolzenes schwefelsaures Kalium, das nach dem Erkalten pulverisiert und in kochendem Wasser gelöst wurde, wird zu gleichen Teilen mit dem Kalkpulver in einer erwärmten Porzellanreibschale gemischt und zu dickem Brei verrührt. Diese Mischung wird in einem Kolben allmählich zur Trockne abdestilliert. Das Destillat wird mit der gleichen Menge 90 %igem Alkohol vermischt und filtriert.

Geschichte: Causticum wurde von Hahnemann in einer seiner letzten Publikationen beschrieben. 1828 bis 1830 veröffentlichte er die Schrift «Die chronischen Krankheiten, ihre eigenthümliche Natur und homöopathische Heilung». Im Band 3 beschreibt er das Causticum. Eigentlich war Hahnemann auf der Suche nach einer verbesserten Version einer Tinctura acris. Durch den beschriebenen Produktionsvorgang soll ihm eine scharfe, ätzende, alkalisch riechende Substanz gelungen sein, die er Causticum nannte. Späteren Homöopathen gelangen mit dieser Versuchsanordnung aber keine solche ätzenden, laugigen Substanzen mehr, vielmehr entweder Ammoniumcarbonate oder einfach Wasser. Grimm fand 1989 durch Nachbau der Apparatur Hahnemanns eine schwache Kalilauge, die durch Verunreinigungen in Hahnemanns unvollkommener Destillationsanlage zustande gekommen sein musste. Die Wirkung des Causticum ist aber unter Homöopathen unbestritten, so dass sich diese Substanz wohl eher darüber als über die Zusammensetzung definieren lässt.

Herstellung: Ätzstoff wird durch Destillation einer Mischung aus gelöschtem Kalk und einer Lösung von Kaliumsulfat hergestellt.

Wirkung und Anwendung von Causticum Hahnemanni in der Homöopathie

‹Causticum-Menschen› sind unglückliche, leidende (gebrannte) Menschen. Ihr ausserordentliches Mitgefühl und ihr hoch entwickelter Gerechtigkeitssinn machen sie krank, «verätzen ihre Seele». Sie werden zu idealistischen Kämpfern für eine gerechtere Welt, lehnen sich hemmungslos gegen Autoritäten auf und gehen auf die Barrikaden. Dabei können sie eine starrköpfige Geisteshaltung annehmen (Lähmung auf geistiger Ebene). Oft finden wir sie in Helferberufen, wo sie sich und ihre eigenen Bedürfnisse völlig vergessen können und sich leidenden Menschen opfern. Ihr Mitleid ist so stark, dass sie das Leid anderer übernehmen, mitweinen oder zum Beispiel nach einem ergreifenden Film nicht mehr schlafen können. Der Leidensweg eines ‹Causticum-Menschen› kann auch mit dem Tod eines geliebten Menschen beginnen, ähnlich wie ‹Natrium-muriaticum-Menschen› können sie im Kummer erstarren. Als geistige Lähmungserscheinung könnte man ihre Vergesslichkeit bezeichnen, sie haben ständig das Gefühl, etwas vergessen zu haben, und müssen mehrfach kontrollieren, ob beispielsweise der Herd ausgeschaltet ist.

‹Causticum-Menschen› haben Angst in der Dunkelheit, sie hören unheimliche Geräusche und haben das Gefühl, Einbrecher seien im Haus. Zudem finden wir Causticum in der Rubrik «Furcht vor Hunden».

‹Causticum-Menschen› leiden unter Gesichtslähmung rechts, ausgelöst durch kalten Wind (vgl. Aconitum) oder als Folge eines  unterdrückten Hautausschlages im Gesicht. Im Bereich der Augen sprechen gelähmte Augenlider oder schielen für Causticum. Manchmal verschlägt es ‹Causticum-Patienten› völlig die Sprache, oder die Stimme erklingt nur noch heiser (besonders morgens). Auch stottern (bei Aufregung) gehört in das Arzneimittelbild von Causticum. Der Auswurf ist schwer löslich, als ob der Schleim hinter dem Brustbein kleben würde (die Patienten klopfen sich beim Husten auf das Brustbein). Unwillkürlicher Harnabgang beim Niesen, Husten, Gehen, Nasenputzen oder Bettnässen im ersten Schlaf lassen uns sofort an Causticum denken und nach weiteren Zeichen für dieses Heilmittel forschen. Lähmungserscheinungen finden wir auch im Rectum, der Stuhl geht nur im Stehen oder unbemerkt ab.

Es sind frostige Menschen, die Kälte schlecht vertragen, besonders in Verbindung mit Trockenheit. Feuchtigkeit oder feucht-warmes Wetter tut ihnen gut, zum Beispiel bei Husten hilft ein Schluck kalten Wassers oder bei Pseudokrupp Wasserdampf (vgl. Hepar sulfuris). Leiden ‹Causticum-Menschen› unter Rheuma, geht es ihnen, im Gegensatz du den meisten Rheumatikern, besser bei feuchtem Wetter und schlechter, wenn trockenes Wetter herrscht (Sommer, kalte und trockene Wintertage). Das Gefühl, als seien die Sehnen zu kurz, mit dem Bedürfnis, sich zu dehnen und zu strecken, ist ein weiterer Hinweis auf Causticum. Ferner kann Causticum auch bei zappeligen Beinen (vgl. Zincum) helfen.

Causticum ist also viel mehr als nur ein «Warzenmittel». Selbstverständlich bringt es, wenn es passt, auch Warzen zum Verschwinden. Aber nicht, weil es ein Ätzmittel ist, sondern weil den Warzen das Terrain entzogen wird. Typische Causticum-Warzen finden wir in der Nähe der Nägel, auf den Augenlidern oder auf der Nasenspitze.

Zum Schluss sei noch erwähnt, dass Causticum auch Hautrisse an den Schleimhautübergängen (Augen, Mund, After) heilen kann (vgl. Acidum nitricum).

Das Arzneimittelbild von Causticum Hahnemanni

Alle Arzneimittelbilder

Wirkt bevorzugt auf:

  • Zentralnervensystem, Schleimhaut des Rachens und Kehlkopfes, vegetative Nerven der Harnblase und des Mastdarmes.

Passt besonders zu:

  • äusserst mitfühlenden, verzweifelten, ängstlichen Menschen mit grossem Schutzbedürfnis. Sie werden von Angst beherrscht(besonders Kinder). Muskelverspannte, stolpernde, stotternde Kinder. Blass mit unterschatteten Augen.

Hauptindikationen:

  • Bettnässen, unwillkürlicher Harnabgang, Hautausschläge, Gelenkschwäche, Gliederschmerzen, Heiserkeit, chronische Kehlkopf und Rachenentzündungen. Heuschnupfen. Warzen.

Besonders wichtig für die Mittelwahl

Symptome:

Angst im Dunkeln, übertrieben grosse Angst vor Hunden. Angst, es könnte einem etwas Schlimmes zustossen. Gefühl, etwas vergessen zu haben, kehrt nochmals zurück, um sicher zu sein, dass alles in Ordnung ist / Schläfrig tagsüber (hauptsächlich nach dem Essen), schlaflos nachts / Husten beim Ausatmen (besser durch einen Schluck kalten Wassers). Husten mit brennenden Schmerzen in der Luftröhre. Heiserkeit, speziell morgens / Heuschnupfen mit verstopfter Nase, besonders im Liegen nachts. Schnupfen mit Heiserkeit / Bettnässen im ersten Schlaf. Unfreiwilliger Harnabgang bei Bewegungen, Husten, Niesen, Lachen, Singen / Schmerzen in den Gliedern, wie gelähmt (Gefühl, Glieder seien zu kurz). Schwäche in den Fussknöcheln / Harte, entzündete Warzen (nahe an den Nägeln, auf den Augenlidern und der Nase) / Unruhe in den Beinen, besonders beim Liegen im Bett / Trockene, rissige Ekzeme.

Allgemeines:

Abneigung gegen Süssigkeiten. Verlangen nach Salz und geräuchertem Fleisch. Starker Durst.

Modalitäten:

Schlimmer durch Neumond, schönes, kaltes, trockenes Wetter (Winter). Verschlimmerung um 3 Uhr morgens, beim Darandenken, Ungerechtigkeit, Aufregung, Schreck, Erschütterung (Fahren).

Besser durch feuchtwarmes, regnerisches Wetter.