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Den «giftigen» Namen erhielt diese in der Homöopathie hochgeschätzte Pflanze wohl wegen ihrer hautreizenden Eigenschaft. Schon die kleinste Berührung verursacht auf unserer Haut starke Reizerscheinungen (am meisten, wenn die Blätter nachts berührt werden!). Bei empfindlichen Menschen stellen sich nach Hautkontakt ein heftig juckender Bläschenausschlag, Fieber und Gelenkschmerzen ein. Hiermit zeigt uns die Pflanze eindrücklich, in welchem Bereich sie nützlich ist, nämlich bei Beschwerden des Bewegungsapparates und der Haut oder bei fiebrigen Erkrankungen wie Grippe und Erkältungen.

  • Illustration Rhus toxicodendron
  • Giftsumach, Giftefeu | © iStock

Steckbrief von Rhus toxicodendron

Beschreibung: Die vielgestaltige Pflanze ist entweder ein bis 1 m hoher Strauch oder eine Kletterpflanze mit Luftwurzeln. Die kletternde Form wird botanisch als Varietät Rhus toxicodendron var. radicans oder manchmal als eigene Art Rhus radicans angesehen. Die  Blätter sind 3-teilig, alternierend mit einem 8 bis 14 cm langen Blattstiel. Das Endblättchen ist gestielt, die Seitenblättchen sind sitzend mit ungleicher Basis. Blüten sitzen in blattachselständigen Rispen, sind zahlreich und weisslich-grün. Die Steinfrüchte sind fast kugelig,  gelblich, zehnfurchig, 4 bis 8 mm im Durchmesser.

Blütezeit: Mai bis Juni

Verbreitung: In Kanada von Nova Scotia bis British Columbia, östliche USA bis Arizona und Florida, teilweise Mexiko, Bahamas und Nordostasien.

Standort: Bei variablen Standortsansprüchen wächst die Art oft als Unterholz in Dickichten. Im Norden ist sie in trockenem Waldland und an steinigen Orten anzutreffen. Im Südwesten (Arizona) findet man sie in Canyons und Schluchten auf reichhaltigen Böden. Im Südosten (Florida) hat sie ihr Vorkommen in Auenwäldern und an Totarmen von Flüssen, aber auch auf sandigen Dünen in Küstennähe. Die kletternde Form wächst an Bäumen und Zäunen hoch.

Besonderheiten: Bei Berührung des Milchsaftes kommt es zu einer schweren Kontaktallergie. Die Symptome treten meist nach ein bis zwei Tagen auf. Es sind juckende Rötungen, die zur Blasenbildung übergehen. Schwere Fälle sind mit Fieber und Körperschwäche begleitet. Es besteht eine hohe Sensibilisierungspotenz.

verwendeter Teil: Tinktur aus den frischen Blättern, die kurz vor der Blüte bei Sonnenuntergang gesammelt werden
wichtige Verwandte: Rhus venenata

Wirkung und Anwendung von Rhus toxicodendron in der Homöopathie

Rhus toxicodendron ist ein häufig angezeigtes Heilmittel und sollte in keiner Haus- und Reiseapotheke fehlen. Wenn Homöopathen von ersten Erfolgserlebnissen erzählen, sind dies oft «Rhustoxicodendron-Geschichten». Zum Beispiel ein Fall von Hexenschuss nach Überanstrengung oder Durchnässung oder eine Story von einem verdrehten Knöchel, der mit Rhus toxicodendron in Rekordzeit heilte. Aufmerksame Zuhörer können «Rhus-toxicodendron-Fälle» relativ einfach finden. Die Patienten erzählen in etwa Folgendes: «Am besten geht es mir, wenn ich mich bewege, sobald ich ruhig sitze oder mich hinlege, werde ich steif, die Schmerzen nehmen zu, ich finde dann in keiner Stellung Entspannung und muss immer wieder die Lage verändern. Deshalb stehe ich wieder auf und bewege mich, nach kurzen Anlaufproblemen geht es mir wieder besser.» Es ist wie ein Film, der sich ständig wiederholt: steif und kalt, Anlaufschmerz, dann warm und beschwerdefrei, beim Ruhigsein wieder steif … usw. Egal ob es sich um Nackenschmerzen, Schulterschmerzen, Ischias oder Hexenschuss handelt, wenn wir diese Modalitäten hören, hilft Rhus toxicodendron auf eindrückliche Art. Allerdings hat oft auch die Heilung «Anlaufprobleme», denn es kann sich kurz nach der Verabreichung des Heilmittels eine mehr oder weniger starke, jedoch meist nur kurz dauernde Heilreaktion einstellen.

Kalt und steif sind wichtige Stichwörter bei der Beschreibung dieses Arzneimittels. ‹Rhus-toxicodendron-Patienten› sind oft auch emotional kühl und steif. Sie zeigen kaum Gefühle und arbeiten hart, wie von einem inneren Drang getrieben. Sie können sich auf fixe Ideen versteifen und sehr abergläubisch sein. ‹Rhus-toxicodendron-Menschen› neigen zum Frieren und reagieren sehr empfindlich auf Kälte und Nässe, sie bevorzugen trockene Wärme. Ein Bad (ausser es sei sehr warm), eine Bettflasche oder gar ein Wasserbett können Beschwerden auslösen oder verschlimmern. Eine grosse Empfindlichkeit auf Nässe kennen wir auch bei Calcium carbonicum, welches sich gut mit Rhus toxicodendron «versteht». Nicht selten hilft Rhus toxicodendron im  Akutfall, und der chronische Hintergrund wird nachfolgend mit Calcium carbonicum bearbeitet.

Rhus toxicodendron hat eine besondere Beziehung zu den Sehnen, Bändern und Muskeln. Deshalb ist es das wichtigste Arzneimittel bei Zerrungen, Verstauchungen und Luxationen.

Wenn sich nach einer Überanstrengung, z. B. durch Heben, Schieben oder Ziehen von schweren Lasten, ein Hexenschuss (besonders auf der linken Seite) einstellt und die Modalitäten von Rhus toxicodendron auftreten, ist ein Erfolg mit diesem Arzneimittel sicher. Wie erwähnt, kann Rhus toxicodendron auch bei Hautausschlägen sehr nützlich sein. Besonders bei Bläschenausschlägen wie Windpocken, Fieberblasen (nach Kälte!), Gürtelrose oder vor allem bei Herpes im Genitalbereich ist Rhus toxicodendron oft das Mittel der Wahl. Typisch ist bei ‹Rhus toxicodendron› die Besserung durch sehr warmes Wasser. Hier könnte die Differenzierung zu Arsenicum album schwer fallen. ‹Arsenicum album› erfährt ebenfalls eine Besserung durch heisses Wasser und ist unruhig. Es handelt sich aber eher  um eine emotionale Unruhe, verbunden mit Schwäche und Angst. Der ‹Rhus-toxicodendron-Patient› ist unruhig, weil seine körperlichen Beschwerden durch Bewegung bessern.

Im Buch von Dr. med. Erika Scheiwiller-Muralt habe ich einen treffenden Merksatz für Rhus toxicodendron gefunden: «Tigert auf und ab, rutscht hin und her – es schmerzt dann nicht so sehr!»

Das Arzneimittelbild von Rhus toxicodendron

Alle Arzneimittelbilder

Wirkt bevorzugt auf:

  • Muskeln, Sehnen, Sehnenscheide, Bänder, Haut, Schleimhäute, Magen-Darmkanal, zentrales Nervensystem

Hauptindikationen:

  • Neuralgien
  • Nackensteife*
  • Kiefergelenkschmerzen
  • Grippe
  • Zerrungen, Verrenkungen, Verletzungen (Unfall, Operation) von Sehnen, Muskeln und Bändern, Sommerdurchfall, Gelenkrheuma, Hexenschuss, Ischias, Windpocken
  • Bläschenausschläge (Herpes)

Besonders wichtig für die Mittelwahl

  • Folgen von Zugluft und feuchter Kälte oder Durchnässung / Überanstrengung und Überheben / Beschwerden nach Operationen.

Symptome:

  • Angst, Furcht im Bett, im Hause, muss entfliehen / Grippe mit Gliederschmerzen und Bewegungsdrang, benebelter, schwerer Kopf / Schmerzende, knackende Kiefergelenke
  • Nervenschmerzen im Kopf (Gesicht, Zähne, «ganzer Kopf», Nacken) infolge Zugluft, kalter Nässe
  • Belegte Zunge, mit rotem Dreieck an der Spitze / Trockener Husten im Fieber oder beim Entblössen der Hände / Krachen und knacken der Gelenke
  • Taubheitsgefühl, Steifheit der Gelenke, Glieder / Fieberblasen und Gürtelrose*
  • Kalte Luft schmerzt auf der Haut
  • Brennende und juckende Hautausschläge (Nesselfieber, Bläschenausschläge, Herpes, Windpocken) / Kreuzschmerzen (Hexenschuss), in die Beine ausstrahlende Nervenschmerzen (Ischias)

Allgemeines:

  • Typisch ist die grosse Unruhe, muss sich dauernd bewegen
  • Die Schmerzen sind ziehend, reissend „wie verrenkt, rheumatisch“
  • Grosses Verlangen nach Milch und Milchprodukten.

Modalitäten:

Schlimmer durch Nässe, Kälte (Zugluft), Tiefatmen, Berühren kalter Gegenstände, Wetterwechsel, abends, nachts und in der Ruhe Anziehen des betroffenen Gliedes Umschläge, Baden

Besser durch fortgesetzte Bewegung (nach anfänglicher Verschlimmerung!), Wärme

* = Selbstbehandlung nur in Absprache mit der Ärztin, mit dem Arzt und als erste Hilfe.