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Am besten kann man sich das Arzneimittelbild von Carbo vegetabilis einprägen, wenn man sich bewusst macht, dass die Kohle ein Produkt einer unvollständigen Verbrennung ist. Bei der traditionellen Holzkohleherstellung darf der Köhler nur minimalste Mengen Sauerstoff zuführen, damit ein langsamer Schwelprozess stattfindet. Sauerstoffmangel ist das grosse Thema der Holzkohle. ‹Carbo-vegetabilis-Menschen› haben «Lufthunger». Sie fühlen sich beispielsweise besser bei offenem Fenster, oder wenn ihnen kräftig Luft zugefächelt wird. Sie sind vergleichbar mit einem Kohle-Meiler: äusserlich eiskalt (Nase, Zunge, Hände, Knie, Füsse) und innerlich leiden sie unter brennenden Schmerzen (wie von glühenden Kohlen).

  • Illustration Carbo vegetabilis
  • schwarze Kohle | © iStock

Steckbrief von Carbo vegetabilis

Beschreibung: Holzkohle für die pharmazeutische Verwendung ist ein schwarzes, leichtes Pulver ohne Geschmack und Geruch. Sie besteht fast vollständig aus chemisch reinem Kohlenstoff (C). In der Homöopathie wird vorwiegend Birkenholzkohle, ferner auch Buchenholzkohle verwendet. Sie muss frei von körnigen Teilchen sein.

Vorkommen: Die Birke Betula pendula und die Rotbuche Fagus sylvatica sind zwei Baumarten mit europäischer Verbreitung. Die daraus entstehende Holzkohle ist das Produkt menschlicher Köhlertätigkeit, die den Ausgangsstoff Holz durch unvollständige Verbrennung unter Sauerstoffmangel in Holzkohle überführt. Auf natürliche Weise kann Holzkohle auch bei Waldbränden entstehen, die beispielsweise durch Blitzschlag entfacht wurden.

Eigenschaften: Holzkohle ist in allen Lösungsmitteln unlöslich. Durch die grosse und poröse Oberfläche der Kohle kann sie als so genannte Aktivkohle verwendet werden, die unspezifisch Substanzen aus Flüssigkeiten und Gasen binden kann. Aktivkohle wird bei Vergiftungen und Durchfällen medizinisch verwendet, ist aber auch Bestandteil vieler Filteranlagen. Holzkohle hat einen hohen Heizwert und verglüht unter grosser Wärmeentwicklung.

Besonderheiten: Vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert war die Herstellung von Holzkohle sehr wichtig und Voraussetzung für die Gewinnung von Erzen verschiedener Art. Sie lieferte die notwendige Hitze für die damaligen primitiven Schmelzöfen. Für das Köhlern wurde vorwiegend Buchen- und Fichtenholz in etwa 1 m lange Rundhölzer zerschnitten und zu einem 3 m hohen Meiler aufgeschichtet. Darüber folgte eine 20 cm dicke Schicht aus grünen Tannästen, Asche und feuchter Erde, die für den Luftabschluss sorgte. Mittels Durchlüftung konnte der Köhler den Brand regulieren
und für 10 bis 12 Tage am Schwelen halten. Nach weiteren Tagen der Abkühlung wurden so aus ca. 60 m3 Holz 8 bis 12 Tonnen Holzkohle gewonnen. Im Gegensatz dazu entstanden Stein- und Braunkohle aus dem Kohlenstoff pflanzlicher Ablagerungen vor rund 300 Millionen bzw. 135 Millionen Jahren.

verwendeter Teil: ausgeglühte Kohle von Rotbuchen- oder Birkenholz

wichtige Verwandte: Carbo animalis, Graphites

Wirkung und Anwendung von Carbo vegetabilis in der Homöopathie

Auch im Blut fehlt der Sauerstoff, deshalb verfärben sich die Haut und die Lippen bläulich (Zyanose). Die Patienten sind sehr schwach, neigen zu Ohnmacht, Gleichgültigkeit und Gedächtnisverlust (Sauerstoffmangel im Gehirn). Fette Speisen (z. B. Butter) werden schlecht verdaut, durch Gärung entstehen Gase, was zu heftigen Blähungen führt. Das überrascht nicht, ist doch die Verdauung eine Art Verbrennung, welche auf Sauerstoff angewiesen ist. ‹Carbo-vegetabilis-Menschen› neigen dazu, sich zu überessen. Sie leiden danach unter Völlegefühl, heftigen Blähungen, Herzbeschwerden und Atemnot (die Blähungen drücken aufs Herz). Durch Gärung entstehen üble Gerüche, die seit jeher mit Aktivkohle zum Verschwinden gebracht wurden. Aufgetriebener Bauch, Blähungen, Aufstossen, übel riechende Winde sind wichtige Indikationen für Carbo vegetabilis (vgl. Lycopodium, China).

Die Lunge ermöglicht uns die Sauerstoffaufnahme. So leuchtet es ein, dass Carbo vegetabilis auch ein wichtiges Heilmittel bei Lungenerkrankungen ist. Bei entsprechender Symptomatik hilft Carbo vegetabilis bei Lungenentzündungen, Emphysem (Lungenblähung), Empyem (Eiter in der Lunge) und Tuberkulose. Carbo vegetabilis und Carbo animalis (Tierkohle) sind in der Homöopathie auch sehr oft bei Krebsleiden im Einsatz.

‹Carbo-animalis-Patienten› können wie eine Leiche aussehen: sie liegen abgemagert mit spitzer Nase, blass-gelblicher oder bläulicher, eiskalter Haut (sogar der Atem ist kalt) total erschöpft da. Die Lebenskraft scheint auf den Nullpunkt gesunken zu sein. Im Vergleich zu ‹Arsenicum-album-Menschen› machen sie sich aber keine Sorgen, wegen ihres Zustandes, weil ihnen alles gleichgültig ist. Verabreicht man in einem solchen Fall Carbo vegetabilis, hat man tatsächlich das Gefühl, man habe einen Toten zum Leben erweckt. Carbo vegetabilis ist ein Heilmittel für Krankheiten in fortgeschrittenem Stadium (Lungenentzündung, Cholera, Gelbfieber, Typhus, Krebs) und für Menschen in fortgeschrittenem Alter. Über Achtzigjährige mit Durchblutungsstörungen, Kälte, Fettunverträglichkeit und Blähungen können besonders oft von Carbo vegetabilis profitieren.

Carbo vegetabilis kommt ebenso bei einem Kollapszustand nach Drogen- oder Medikamentenmissbrauch in Frage. Typische Symptome sind Erschöpfung, blaue Lippen, kalter Schweiss, Ohnmacht, sieht aus wie tot.

Holzkohle in homöopathischer Zubereitung ist auch in der Lage, «sterbendes» Gewebe wiederzubeleben. Stinkende, (kohlen-)schwarze Krampfaderngeschwüre und Gangrän (Brand) werden durch die potenzierte Kohle plötzlich wieder richtig durchblutet und können abheilen.

Manchmal erzählen Patienten, dass ihre Probleme nach einer grossen Anstrengung, einer schweren Krankheit, einem Unfall oder einer Operation begonnen haben. Wir denken bei dieser Causa an Heilmittel wie Acidum phosphoricum, China, Carbo vegetabilis und suchen nach Bestätigungen für das am besten passende Heilmittel. ‹Carbo-vegetabilis-Patienten› fürchten sich (besonders nachts) vor Gespenstern (sehen selber aus wie ein Gespenst), vor Krankheit oder Unfällen (als ob sie wüssten, dass ein Unfall oder eine Krankheit sie völlig aus dem Gleichgewicht bringen könnte). ‹Carbo vegetabilis› sind geistig sowie körperlich träge, können sich schlecht konzentrieren und leiden unter vorübergehendem Gedächtnisverlust. Das macht sie unentschlossen, reizbar, jähzornig oder auch völlig gleichgültig und teilnahmslos.

Carbo vegetabilis kann leicht mit Lycopodium verwechselt werden (Blähungen, Verschlimmerung abends, venöse Stauungen, besser durch frische Luft). Die Modalitäten helfen uns die beiden Heilmittel zu differenzieren. Bei Lycopodium fehlt die grosse Kälte. Die Besserung durch Aufstossen ist bei Carbo vegetabilis viel deutlicher als bei Lycopodium. Carbo vegetabilis liebt Salz, Lycopodium hat eher eine Abneigung gegen Salz.

Das Arzneimittelbild von Carbo vegetabilis

Alle Arzneimittelbilder

Wirkt bevorzugt auf:

  • Atemzentrum, Blut, Haut- und Schleimhäute, Magen-Darmkanal, Herz und Kreislauf, Lymphdrüsen.

Passt besonders zu:

  • geschwächten Menschen mit Kollapsneigung.

Hauptindikationen:

Magenschleimhautentzündung, Verdauungsstörung mit viel Blähungen, Bronchitis (bei Herzschwäche), Krampfadergeschwüre, Hautgeschwüre und Furunkel, Schwäche bei Krebs (als unterstützende Massnahme).

Besonders wichtig für die Mittelwahl

Folgen von Krebserkrankungen.

Symptome:

Angst vor Unfällen (z. B. beim Autofahren) und in der Dunkelheit / Kopfschmerzen beim Hinlegen / Nasenbluten bei blassem Gesicht. Erweiterte Äderchen im Gesicht (besonders in der Nasenfalte und an den Wangen) / Verdauungsstörungen mit starken Blähungskoliken, besser durch Aufstossen und Windabgang (übel riechend). Durchfall nach Milch und fetten Speisen. Magenbrennen / Kollapsneigung mit Blaufärbung der Haut und eisiger Kälte / Kalte Füsse bis zu den Knien. Beingeschwüre sind schmerzhaft, brennend, stinkend, bläulich.

Allgemeines:

Neigung zu brennenden Geschwüren und eitrigen Prozessen (offene Beine, eitrige Hautgeschwüre).

Modalitäten:

Schlimmer nach dem Stillen, abends, nachts, durch Genuss von fetten Speisen, Milch, Kaffee und Wein, feuchtwarmes Wetter, Zugluft (Kopfschmerz).
Besser durch Aufstossen und Zufächeln von Luft.