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Nosoden sind homöopathische Zubereitungen aus krankheitserregerhaltigen Ausscheidungsprodukten. Medorrhinum wird aus dem eitrigen Sekret einer akuten Gonorrhö (Tripper) hergestellt. Obwohl beim Denken an die Herkunft dieses Heilmittels vielen der Appetit vergehen dürfte, möchte kein Homöopath auf dieses mächtige und tief greifende Arzneimittel verzichten. Eine Gonorrhö kann, auch wenn sie kunstgerecht schulmedizinisch behandelt wurde (oder gerade deswegen), kaum zu beseitigende «Nachwirkungen» auf den ganzen Organismus haben und die Betroffenen ein Leben lang beschäftigen. Selbst die Nachkommen schlagen sich noch mit den «Sünden der Väter» herum. Natürlich ist nicht die Krankheit selbst von Bedeutung, sondern die Tatsache, dass die Gonokokken auf einen geschwächten Organismus trafen und sich entwickeln konnten. Catherine R. Coulter schreibt: «Wenn diese Geschlechtskrankheit – sei es in der Gegenwart, Vergangenheit oder ererbt – als Ursache der Probleme des Patienten erkannt wird, sollten stets Medorrhinum oder eine der beiden antisykotischen Arzneimittel Hahnemanns, Thuja oder Acidum nitricum, in Betracht gezogen werden.» 

  • Illustrationen Medorrhinum
  • Trippernosode

Steckbrief von Medorrhinum

Beschreibung: Gonokokken sind semmel- oder nierenförmige Bakterien mit einer Grösse von bis zu 1,0 µm. Sie sind unbeweglich, aerob (auf Sauerstoff angewiesen) und liegen typischerweise in Viererpaketen (Tetraden) vor, da sie sich nach einer ersten Zellteilung senkrecht dazu nochmals teilen. Mit der Gramfärbung sind sie als gramnegativ zu differenzieren. Die Gonokokken lassen sich auf speziellen Nährmedien kultivieren und bilden in der Regel feintropfige, halbkugelige, gelbliche Kolonien von bis 1,5 mm Durchmesser.

Lebensweise: Das Bakterium lebt nur als pathogener Erreger der Gonorrhö (Tripper) im menschlichen Urogenitaltrakt. Die Übertragung geschieht fast ausschliesslich durch den Geschlechtsverkehr. Die Inkubationszeit beträgt etwa 2 bis 4 Tage. Die Gonokokken befallen und zerstören die Zellschichten der Schleimhäute, wo sie teilweise phacozytiert (von weissen Blutkörperchen einverleibt) werden. Dadurch entsteht die gonorrhoische Eitersekretion, die als Symptom das äussere Bild dieser Krankheit charakterisiert.

Krankheit: Durch den Befall kommt es zu schmerzhaften Entzündungen der Harnröhre, die vor allem beim Mann mit eitrigem Ausfluss einhergeht. Die Infektion kann auf die Prostata, Nebenhoden oder den Samenleiter bzw. Eileiter übergreifen und mit Abszessbildung chronisch werden. Die Therapie erfolgt mit Antibiotika, vor allem Penicillin, auf das der Erreger sehr anfällig ist. Früher hinterliess die Gonorrhö bei Männern oft Harnröhrenverengung und bei Frauen Gebärmutterleiden, was bei beiden Geschlechtern zur Unfruchtbarkeit führen konnte.

Geschichte: Textpassagen auf Tontafeln in Mesopotamien und im Alten Testament lassen darauf schliessen, dass die Gonorrhö schon im Altertum eine verbreitete Seuche war. Im 13. Jahrhundert erkannte man den Zusammenhang der Übertragung durch den Geschlechtsverkehr. Syphilis und Gonorrhö konnten jedoch nicht auseinander gehalten werden, und sogar noch 1767 «bewies» ein schottischer Arzt in einem Selbstversuch, dass aus Tripper die Syphilis entstehe. Erst 1879 entdeckte der Mediziner Albert Neisser den bakteriellen Erreger in frischem Eiter. Um 1935 wurden mit Sulfonamiden erste Heilungserfolge erreicht, doch erst in den 40er Jahren gelang mit dem Einsatz des Penicillins der therapeutische Durchbruch.

Wirkung und Anwendung von Medorrhinum in der Homöopathie

Folgende Probleme in der Familiengeschichte sind ein Hinweis auf sykotisches Terrain: Herzkrankheiten (Infarkt, Angina pectoris), Down-Syndrom, Krebs, Tuberkulose, Diabetes, Impfschäden, Sterilität, Fehlgeburten, Unterleibsentzündungen, Hämangiome (Blutschwamm), Spider Naevi (spinnenartige Hautflecken).

Sykotisch belastete Kinder sind häufig von der Geburt an krank. Sie sind nicht in der Lage, akute Krankheiten rasch und vollständig zu überwinden. Dauernd erkältet, leiden sie unter Bronchitis, Asthma und Heuschnupfen. Es sind wilde, schwierig zu erziehende Kinder, die viel streiten und einen Hang zur Gewalt haben können. Das Pendel der Extreme schwankt hin und her: Mal sind sie extrem introvertiert, dann wieder extrem extrovertiert. Mal explodieren sie fast vor lauter Energie, anschliessend sind sie total energielos. Entweder lieben sie Tiere heiss oder quälen sie. Sie haben keine Mitte, finden das Gleichgewicht nicht (Med = Problem in der Mitte).

Jeremy Sherr erklärt, dass sich das Thema «nichts in der Mitte» durch das ganze Arzneimittelbild von Medorrhinum zieht. So können wir uns folgende Symptome gut einprägen: «Gefühl eines Hohlraums in der Brust», «Gefühl einer Röhre von einem Ohr zum andern», «Brodeln in der Nierengegend (wie Seifenblasen)», «Knie-Ellenbogen-Lage», «Delle in der Mitte des Nagels».

Medorrhinum spielt erwartungsgemäss eine grosse Rolle bei Erkrankungen der Geschlechts- und Harnorgane. Hartnäckiger gelber Ausfluss, Prostatabeschwerden, Phimose, Ausschläge lassen uns bei Männern an Medorrhinum denken. Bei beiden Geschlechtern können Warzen und Herpes im Genitalbereich oder der «Fischgeruch» der Absonderungen ein Hinweis auf die Trippernosode sein. Frauen leiden oft unter chronischen Störungen im Becken, oftmals schon vor der Pubertät. Unfruchtbarkeit, Fehlgeburten, Menstruationsbeschwerden aller Art, eiskalte Brüste, Scheidenjucken sind weitere Zeichen für Medorrhinum. Medorrhinum kann übrigens einen in der Vergangenheit unterdrückten gonorrhoischen Ausfluss wieder in Gang bringen. Dieser sollte auf keinen Fall unterdrückt werden, denn er ist der Auftakt zur Heilung.

‹Medorrhinum-Patienten› leiden unter Gedächtnisschwäche: können sich Namen nicht merken, vergessen, was sie gerade sagen oder tun wollten, erinnern sich nicht, was sie soeben gelesen haben. Medorrhinum kann diese geistige Schwäche dramatisch verbessern, die Wirkung dieser Nosode geht also weit über die Probleme im Urogenitalbereich hinaus. ‹Medorrhinum-Menschen› haben einen gestörten Sinn für die Zeit. Sie meinen, die Zeit vergehe zu langsam. Sie sind sehr ungeduldig und stets in grosser Eile. Ihre Sprache ist hastig und enthält häufige Wiederholungen (sie haben wohl auch Angst, den Faden zu verlieren). Das Verlangen nach unreifem grünem Obst kann man sich gut als Symbol für ihre Ungeduld einprägen. ‹Medorrhinum-Menschen› fürchten sich im Dunkeln, vor Hunden und vor bevorstehenden Ereignissen. Sie haben das Gefühl, jemand ginge hinter ihnen oder es sei etwas unter Wasser (tauchen nicht gerne mit dem Kopf unter Wasser). Sie befürchten, geisteskrank zu werden.

Verschwinden mit dem Sonnenuntergang die Beschwerden, können ‹Medorrhinum-Patienten› aufleben: «Sex, Drogen und Rock ‘n‘ Roll» lautet die saloppe Kurzversion des Arzneimittelbildes von Medorrhinum. Ihr Sexualleben ist intensiv, gerne holen sie sich einen zusätzlichen Kick mit Alkohol oder Drogen. Exzessives Tanzen bei lauter Musik finden sie ebenso «geil». «Überborden» heisst das Motto des ‹Medorrhinum-Menschen›. Er führt ein «grelles» Leben und liebt grelle Dinge wie Orangen oder Orangensaft, grüne Äpfel, Alkohol, Eiswürfel. Er fühlt sich wohl am Meer, lässt sich vielleicht sogar als Matrose anheuern und reist um die Welt. Es ist gut vorstellbar, dass als Andenken an diese Zeit eine Tripperkrankheit in ihm schlummert und ihn, vielleicht erst zehn Jahre später, in die Knie zwingt (Gelenkentzündung).

Weitere Medorrhinum-Symptome, die den Bewegungsapparat betreffen, sind Rheuma, Schwellungen der Gliedmassen, Wadenkrämpfe, Empfindlichkeit der Fusssohlen, Fersen, Fussballen, unruhige Füsse, heisse Füsse (streckt sie wie ‹Sulfur› nachts aus dem Bett), Neigung zum Umknicken der Fussgelenke. James Compton Burnett bezeichnete Medorrhinum als die Mutter des Eiters und des Katarrhs. Reichliche gelb-grüne Absonderungen können von allen Schleimhäuten produziert werden, beispielsweise im Rahmen einer Nebenhöhlenentzündung.

Abschliessend sind noch einige Zeichen zu erwähnen, die uns an Medorrhinum denken lassen oder die Mittelwahl bestätigen können: grünlich, gräuliches, fettiges Gesicht, spärliche Behaarung des Gesichts (Bart, Augenbrauen), blaue Skleren (das Weisse im Auge erscheint bläulich), Schlaf in Knie-Ellenbogen-Lage (im Säuglingsalter normal und nicht als Symptom zu verwerten), gezackte und abbröckelnde Zähne, Fieberblasen schon bei Kindern (vgl. Tuberculinum), extremes Nägelbeissen (kaut sogar Zehennägel ab), Vitiligo (Weissfleckenkrankheit) bei Kindern, Neurodermitis (schlimmer durch Zitrusfrüchte, Erdbeeren), überbordende Haut (Muttermale, Warzen, Feigwarzen und Polypen).

Das Arzneimittelbild von Medorrhinum

Alle Arzneimittelbilder

Wirkt bevorzugt auf

Passt besonders zu

  • zu ungeduldigen, stets eiligen, energiegeladenen Menschen, schwer erziehbaren Kindern (hastig, ungeschickt, reizbar), geistig zurückgebliebenen Kindern.

Hauptindikationen

Nervosität, Unruhe, Reizbarkeit. Legasthenie. Asthma, Bettnässen, Prostataentzündung, Menstruationsbeschwerden. Sterilität. Wundsein der Säuglinge.

Besonders wichtig für die Mittelwahl

Folgen von unterdrückter Gonorrhö (Tripper). Impfungen (Hirnhautreizung). Antibiotika (Kopfschmerz).

Symptome:

Angst in der Dunkelheit (Gefühl, verfolgt zu werden). Angst vor Verabredungen / Schlechtes Kurzzeitgedächtnis. Konzentrationsmangel, verliert den Faden beim Sprechen, vergisst Namen, jüngste Ereignisse. Schläft in Knie-Ellenbogen-Lage. «Bauchschläfer» / Brennen im Nacken, die Wirbelsäule hinunterreichend. Eiskalte Brüste (Haut wie marmoriert) und Brustwarzen / Fingernägelkauen (sieht sich die abgekauten Nägel an) / Chronischer Rheumatismus. Nachts heisse Hände, Füsse, Sohlen und Fersen (wie bei Sulfur streckt man seine Füsse nachts aus dem Bett). Beinschmerzen nachts, muss die Beine dauernd bewegen / Wundsein der Säuglinge mit Rötung des Genitalbereiches und feuchtem, nach Fisch riechendem After / Spitze, gestielte Warzen (wie mit Nadelköpfen), Feigwarzen, Polypen.

Allgemeines:

Absonderungen haben oft Fischgeruch / Verlangen nach alkoholischen Stimulanzien und Orangen.

Modalitäten:

Schlimmer tagsüber, bei Föhnwetter, während Gewitter und bei trocken-kaltem Wetter. Alles ist schlimmer beim Darandenken.

Besser nachts, an der Meeresküste (besonders die Gliederschmerzen). Durch feuchtes, warmes Wetter (Gliederschmerzen), Ausfluss jeder Art. In Bauchlage oder Knie-Ellenbogenlage, speziell bei Asthma.

 

Bemerkung: Bei Impfschäden im Wechsel mit geben.