Belladonna
Tollkirsche
Belladonna hilft bei vielen akuten Entzündungszuständen und Krämpfen. Deshalb gehört dieses Heilmittel unbedingt in jede Haus- und Reiseapotheke. «Belladonna-Zustände» treten wie ein Blitz aus heiterem Himmel auf. Die Betroffenen werden von einer Minute auf die andere heftig krank und benehmen sich, als ob sie verhext wären. Das Fieber steigt beispielsweise so schnell an, dass Fieberkrämpfe entstehen können oder die Patienten in einen irren Zustand geraten: sie sehen entsetzliche Gesichter oder wilde Tiere (schwarze Wölfe wie im Märchen vom Rotkäppchen) und schlagen deshalb wild um sich oder führen sich selber wie ein wildes Tier auf. Solch heftige Zustände bleiben uns nicht verborgen, so dass das Heilmittel (auch von Laien) gut erkannt werden kann.
Steckbrief von Belladonna
Beschreibung: Die ausdauernde Pflanze wird 50 bis 150 cm hoch und besitzt einen walzenförmigen Wurzelstock. Die bis 15 cm langen Blätter sind eiförmig zugespitzt, ganzrandig und flaumig behaart. Im Bereich des Blütenstandes stehen jeweils ein kleineres und grösseres Blatt zusammen. Dazwischen entspringen die einzelnen Blüten, deren glockig bis röhrige Krone aussen braunviolett, innen auch schmutzig gelb und purpurn geadert ist. Die Frucht ist eine kugelige, bis kirschgrosse, schwarz glänzende Beere.
Blütezeit: Juni bis August
Verbreitung: Die Tollkirsche kommt in ganz Süd- und Mitteleuropa vor, nordwärts bis England, Norddeutschland, Polen, im Osten bis Mittelrussland und in den Westhimalaja, ferner in Nordafrika. In der Schweiz ist sie überall in tieferen Lagen verbreitet. Anbaugebiete befinden sich in Süd- und Osteuropa, in Pakistan, Nordindien, in den USA und in Brasilien.
Standort: Die Pflanze wächst an lichten, halbschattigen Stellen von Laubwäldern. Typischerweise sind dies Waldschläge, Waldlichtungen und Waldränder. Man findet sie aber auch an Waldwegen und Forststrassen. Sie liebt lockere, nährstoffreiche und kalkhaltige Böden sowie luftfeuchte Orte.
Besonderheiten: Die Tollkirsche wird seit dem Altertum medizinisch, unter anderem als Schmerzmittel, verwendet. Sie ist aber auch als Rauschdroge für vielfältige rituelle Anwendungen bekannt und war Bestandteil von Hexensalben. Diese wurde von ärmeren Leuten als Berauschungs- und Genussmittel benutzt, aber auch bei kirchlichen Tribunalen der Inquisition zur Überführung den mutmasslichen Hexen verabreicht. Durch die pupillenerweiternde Wirkung wurde die Tollkirsche von Frauen als Schönheitsmittel verwendet, was dieser Pflanze den Artnamen eintrug. Die Pflanze ist sehr stark giftig. Die Wirkung beruht auf verschiedenen Alkaloiden und weiteren so genannten Nebenalkaloiden. Die Vergiftungserscheinungen sind Unruhe und allgemeine Erregung, starke Euphorie und Halluzinationen mit Bewegungsdrang wie Tanzlust: Ein Zustand, der auch mit dem Wort «Tollheit» umschrieben werden kann.
verwendeter Teil: am Ende der Blütezeit gesammelte, frische, ganze Pflanze mit Wurzelstock
wichtige Verwandte: Capsicum, Datura stramonium, Hyoscyamus, Mandragora, Solanum dulcamara, Nicotiana
Wirkung und Anwendung von Belladonna in der Homöopathie
Wenn Tollkirschen versehentlich eingenommen werden, treten folgende Vergiftungserscheinungen auf: Übelkeit und Erbrechen, die Pupillen erweitern sich so stark, dass die Iris nur noch als schmaler Rand erscheint. Die Folgen dieser Erweiterung sind Lichtempfindlichkeit, Doppeltsehen und Nebligsehen bis zur völligen Blindheit. Der Puls wird beschleunigt, feuerrote Flecken treten im Gesicht und auf dem Körper auf, das Schlucken ist behindert (Zusammenschnürungsgefühl). Ein wahrhaft «toller» Zustand zeigt sich auch auf der psychischen Ebene: grosse Unruhe mit Bewegungsdrang, Zähneknirschen, ständiges Sprechen, Schreien, Lachen, Pfeifen. Die Vergifteten werden wild, sie schlagen um sich, beissen, reissen sich an den Haaren und müssen gewaltsam ruhig gehalten werden, um sich und anderen keinen Schaden zuzufügen.
Ebenso wild wie eine Belladonna-Vergiftung verläuftauch eine Belladonna-Erkrankung. Wenn sich im Organismus plötzlich ein «Feuer» entzündet (Entzündung), sich Hitze staut (Blutansammlung) und es im wahrsten Sinne des Wortes brennt, ist Belladonna das Mittel der Wahl. Dr. Samuel Hahnemann verabreichte beispielsweise bei Scharlach-Epidemien Belladonna (sogar prophylaktisch!). Warum? Weil eine Scharlach-Erkrankung oftmals ein typisches Belladonna-Krankheitsbild hervorbringt: plötzlicher, heftiger Krankheitseintritt, Unruhe, hohes Fieber, gestaute Hitze, Kopfschmerzen («Mein Kopf brennt!»), scharlachrotes Gesicht, Himbeerzunge, feuerroter Rachen, Trockenheit der Schleimhäute, Schluckbeschwerden (der Hals ist wie zusammengeschnürt).
Der Name der Krankheit ist aber bei der Mittelwahl nicht von Bedeutung. Bei plötzlichem hohem Fieber mit heissem, rotem Kopf, kalten Händen und Füssen, brennender Hitze, dampfendem Schweiss und pulsierenden Kopfschmerzen bringt Belladonna den Fall rasch in Ordnung. Mit dem Bild einer «dampfenden Tomate» kann man sich übrigens den Kopf von ‹Belladonna-Patienten› gut einprägen.
Ein roter Kopf kann uns auch bei Periodenkrämpfen, Koliken, Säuglingskrämpfen an Belladonna denken lassen. Wenn die Krämpfe plötzlich und heftig auftreten, periodisch kommen und gehen und sich die Betroffenen eher rückwärts beugen, ist die Verordnung gut abgesichert.
Ein «Belladonna-Zustand» kann auch durch das «Feuer» der Sonne ausgelöst oder verstärkt werden. Treten nach einem sonnigen Tag am Wasser oder im Schnee (ohne Kopfbedeckung!), Unruhe, Hitze im Kopf, klopfende Kopfschmerzen auf, hilft Belladonna prompt und erspart dem Leichtsinnigen eine schlaflose Nacht.
Der Kopf reagiert aber nicht nur auf Sonnenbestrahlung, sondern auch auf Zugluft sehr empfindlich. So ist es möglich, dass sich ‹Belladonna-Menschen› sogar durch Haarwaschen oder Haarschneiden erkälten.
Belladonna ist ein wichtiges Heilmittel bei Migräne. Auch hier treten die typischen Symptome wie klopfende Schmerzen, vor allem auf der rechten Seite, rotes Gesicht, Licht- und Geräuschempfindlichkeit, schlimmer durch Erschütterung auf.
Belladonna kann also durchaus auch bei chronischen Krankheiten hilfreich sein. In diesem Bereich erkennen wir das Heilmittel durch die Heftigkeit des Geschehens.
Wirkt bevorzugt auf:
Parasympathicus, Zentralnervensystem, periphere Nerven, Schleim- und Hirnhäute, Augen, obere Luftwege, Magen-Darmkanal, Drüsen, Haut.
Passt besonders zu:
kräftigen, vollblütigen Menschen, intelligenten, sensiblen Kindern.
Hauptindikationen:
- Fieberzustände
- Angina*
- Scharlach*
- Abszesse
- Wundrose*
- Periodenkrämpfe
- Krämpfe, Koliken der glatten Muskulatur
- Kopfschmerzen
- Krampfhusten
- Asthma*
- Sonnenstich*
- Augenentzündungen, trockene Augen
- Glaukom* (grüner Star)
Besonders wichtig für die Mittelwahl
Folgen von übermässiger Sonneneinstrahlung, heftiger Erschütterung.
Symptome:
Grosse Unruhe, Erregung, Aggressivität (beisst und spuckt). Hellwach, geschwätzig / Schlägt mit dem Kopf gegen die Wand. Plötzliches, heftiges Fieber. Klopfende Halsschlagader, heisses Gesicht mit kalten Händen und Füssen / Glänzende, starrende und trockene Augen. Überempfindlich auf Licht, Geräusche, Erschütterung. Hitzegefühl, Pulsieren, Stechen in den Augen / Blutandrang zum Kopf (hochroter Kopf) mit Halluzinationen (sieht alles vergrössert, sieht wilde Tiere, „böse Gesichter") / Durst, Angst zu trinken, da Hals wie zusammengeschnürt / Biegt sich in den Rücken (bei Krämpfen) / Hellrote, mit dunkeln Klumpen vermischte, heisse Periodenblutung.
Allgemeines:
Alle Beschwerden treten plötzlich und periodisch auf (kommen und gehen)! / Dampfende Schweisse.
Modalitäten:
Schlimmer durch kalte Winde, Haare schneiden,Erschütterung, Berührung, Licht, Lärm, direkte Sonnenhitze. Abends und nachts, sich hinlegen. Besser durch Ausstrecken und Rückwärtsbeugen des Rumpfes (Kolikschmerzen).
* = Selbstbehandlung nur in Absprache mit der Ärztin, mit dem Arzt und als erste Hilfe.